
Fondé en 2018 par la trompettiste Émilie Fortin, le collectif Bakarlari est né d’une volonté de faire découvrir la musique contemporaine et nouvelle en version solo dans le but avoué de créer un nouveau canon musical, en jouant et rejouant des œuvres souvent peu – ou pas – connues du public. Travaillant en étroite collaboration avec des compositeurs.trices d’ici et d’ailleurs, ses membres sont toujours désireux.ses de repousser les limites techniques de leurs instruments et de découvrir de nouvelles sonorités.
Avec plusieurs improvisateurs-trices expérimentés-es, Bakarlari aborde également l’improvisation collective comme une source permanente de développement du vocabulaire propre à chaque interprète.
Bakarlari représente ici la jeune génération de musicien·ne·s de Montréal qui s’engagent activement dans la pratique de l’improvisation. Les projets sont conçus à la base par Émilie Fortin, puis réalisés collectivement avec les musicien·ne·s associé·e·s au pool de Bakarlari.
Interviews:
english:
Founded in 2018 by trumpeter Émilie Fortin, the collective Bakarlari was born of a desire to showcase contemporary and new music in solo versions with the avowed aim of creating a new musical canon, playing and replaying works that are often little-known – or not yet known – to the public. Working in close collaboration with composers from near and far, its members are always keen to push back the technical limits of their instruments and are eager to discover new sounds.
With several experienced improvisers, Bakarlari also approaches collective improvisation as an ongoing source of development of each performer’s own vocabulary.
deutsch:
Das 2018 von der Trompeterin Émilie Fortin gegründete Kollektiv Bakarlari entstand aus dem Wunsch, zeitgenössische und neue Musik in Soloversionen zu präsentieren, mit dem erklärten Ziel, einen neuen musikalischen Kanon zu schaffen, indem es Werke spielt und wiedergibt, die der Öffentlichkeit oft wenig oder noch gar nicht bekannt sind. Die Mitglieder des Ensembles, die eng mit Komponisten aus nah und fern zusammenarbeiten, sind stets bestrebt, die technischen Grenzen ihrer Instrumente zu erweitern und neue Klänge zu entdecken.
Mit mehreren erfahrenen Improvisatoren betrachtet Bakarlari die kollektive Improvisation auch als eine ständige Quelle für die Entwicklung des eigenen Vokabulars jedes Interpreten.
Bakarlari repräsentiert hier die jüngere Generation von Musiker_innen Montréals, die sich intensiv mit Improvisation auseinander setzen. Die Projekte werden grundsätzlich von Émilie Fortin entworfen und dann gemeinsam mit den angefügten Musiker_innen des Bakarlari-Pools umgesetzt.
Interviews:
Émilie Fortin
CLH: Denkst du, man würde Bakarlari beim Hören erkennen?
Émilie: Man würde auf jeden Fall die Solist_innen erkennen, weil jede_r eine sehr eigene Stimme hat. Aber als Ensemble, haben wir wahrscheinlich noch keine einheitliche Klangsignatur.
CLH: Und die Organisation? Ist das ein Kollektiv?
Émilie: Ich habe die künstlerische Leitung, also habe ich das letzte Wort, aber alle Ideen sind willkommen. Es ist ein Solist_innen-Ensemble mit variabler Besetzung: die Musiker_innen wechseln, je nach Projekt.
CLH: Gibt es für dich einen typischen Klang von Montréal?
Émilie: Montréal ist sehr experimentell, auch stark elektroakustisch geprägt. Es gibt eine echte Vielfalt. Es ist eine Stadt, in der jede_r seine Szene finden kann. Für mich ist sie freier als Toronto und lebendiger als New York.
CLH: Und beeinflusst diese Geografie, diese Atmosphäre eure Praxis?
Émilie: Ja. Montréal zieht viele Menschen an, hier entstehen die Verbindungen. Für mich war es ein Traum, hierherzukommen – aus meiner kleinen Heimatstadt. Man spürt, dass hier alles passiert.
CLH: Ist Bakarlari wichtig für Montréal?
Émilie: Ich hoffe es. Soweit ich weiß, sind wir das einzige Solist_innen-Kollektiv. Die Idee ist, dem Individuum Raum zu geben, in der Co-Kreation mit Komponist_innen. Nicht nur ein Stück zu spielen, sondern wirklich mit der Verbindung von Instrument und musikalischer Persönlichkeit zu arbeiten.
CLH: Und die künstlerische Identität der Gruppe?
Émilie: Es ist genau dieser Mix aus Solo, Improvisation und durchdachter Inszenierung. Es ist nicht einfach eine Reihe von Solos wie bei einem klassischen Recital. Wir schaffen ein Erlebnis: mit Licht, visuellen Elementen, Übergängen ohne Pause, einem verbindenden Thema.
CLH: Wie ist das Publikum in Montréal?
Émilie: Sehr neugierig, aber oft selbst Musiker_innen. Hier besucht jede Sparte ihre eigene Szene. Aber es gibt viele Überschneidungen zwischen den zeitgenössischen und improvisierten Szenen. Reihen wie Mardi Spaghetti oder Mercredi Musique helfen, eine Community zu bilden – oft eher noise- oder DIY-orientiert als klassisch.
CLH: Ist das anders als in anderen Städten?
Émilie: Ja, Montréal ist klein und sehr gemeinschaftlich. Man trifft oft dieselben Leute. Es ist ein enges Netzwerk.
CLH: Und der Zusammenhang zwischen Improvisation und Freiheit?
Émilie: Freiheit bedeutet, man selbst zu sein, sich so zu zeigen, wie man ist. In der Improvisation ist jedes Mal ein neues Aufeinandertreffen. Es ist ein Raum, um sich ohne Selbstzensur auszudrücken.
CLH: Wenn du einen der Begriffe streichen müsstest – Komposition, Konzept oder Improvisation?
Émilie: Ich schwanke zwischen Komposition und Improvisation. Manchmal finde ich, dass zeitgenössische Kompositionen zu komplex sind, um wirklich geteilt zu werden. Umgekehrt kann Improvisation ein echter Raum für Co-Kreation sein. Also vielleicht würde ich die Komposition streichen … aber das ist schwer!
CLH: Was vereint Improvisator_innen?
Émilie: Der Spaß, das Spiel, eine fast kindliche Freiheit wiederzufinden. Und was trennt sie? Das Ego. Wenn jemand keinen Raum lässt, nicht zuhört. Zuhören ist zentral.
CLH: Dein Lieblingsklang?
Émilie: Der Klang von Schlittschuhkufen auf Eis.
CLH: Eine besondere Note?
Émilie: Das tiefe D auf der Trompete. Es gibt mir viel Spielraum. Ich kann wirklich mit Vierteltönen arbeiten.
CLH: Ein Lieblingsintervall?
Émilie: Die Septimen. Vor allem die kleine, aber es kommt auf den Kontext an.
Thomas Gauthier-Lang
CLH: Gibt es für dich einen typischen Klang in der Improvisation von Bakarlari?
Thomas: Ich würde sagen, es gibt Gesten, Klänge, die wir mögen und die wir in verschiedenen Kontexten immer wieder einsetzen. Das sind Elemente, die widerspiegeln, was wir hören, was wir selbst mitbringen.
CLH: Denkst du, dieser Zugang spezifisch für Bakarlari ist oder trifft der allgemeiner für improvisierende Musiker_innen aus der zeitgenössischen Musik zu?
Thomas: Ich glaube nicht, dass das nur Bakarlari betrifft. Es gibt unterschiedliche Herangehensweisen, je nach Kontext. Ich erinnere mich an ein Bild, das Lori Freedman mir nach einem Duo gegeben hat: Sie sagte, ein erstes Treffen zwischen zwei Improvisierenden sei wie Geschäft mit Stoffen – man zeigt sich gegenseitig seine Stoffe und probiert Kombinationen aus.
CLH: Gibt es in der Gruppe eine Leitung oder Hierarchie?
Thomas: Nein, überhaupt nicht. Es gibt keine festgelegte Leitung. Führung entsteht durch Blicke, Atmung, Klänge. Die Führung wechselt, aber nicht geplant – das ist sehr organisch.
CLH: Gibt es für dich einen typischen Klang von Montréal?
Thomas: Ja – das Geräusch von sehr kaltem Schnee, der unter den Stiefeln knirscht. Und die Schneehaufen, die den Nachhall schlucken – das erzeugt eine Art Stille.
CLH: Denkst du, dass diese Geografie, diese Landschaft eure Musik beeinflusst?
Thomas: Ja, selbst unbewusst. Wir sind das Ergebnis dessen, was wir jeden Tag hören, auch wenn wir das gar nicht so wahrnehmen.
CLH: Ist eure musikalische Tätigkeit deiner Meinung nach wichtig für die Stadt?
Thomas: Ich habe eine Weile gebraucht, um das zu erkennen, aber ja. Durch meine Lehrtätigkeit, durch meine Vorschläge in der künstlerischen Arbeit und im Hören glaube ich, dass ich hier etwas beitrage.
CLH: Ist das Publikum hier anders als anderswo?
Thomas: Ja. Ich spüre hier immer eine herzliche Offenheit in unserer Community. Und ich will auch glauben, dass ein Publikum nie etwas Einheitliches ist.
CLH: Siehst du einen Zusammenhang zwischen Improvisation und Freiheit?
Thomas: Ja, aber nicht im Sinne eines großen Raums totaler Freiheit. Meine improvisatorische Sprache ist eher wie eine Wühlkiste – und die Freiheit liegt in den Zwischenräumen zwischen den Dingen. Es gibt eine Spannung zwischen Strategie und Loslassen, zwischen dem, was man vorbereitet hat, und dem, was man einfach geschehen lässt.
CLH: Wenn du einen der Begriffe streichen müsstest – Komposition, Konzept oder Improvisation – welchen?
Thomas: Vielleicht „Komposition“. In diesem Kontext spricht mich das am wenigsten an.
CLH: Was verbindet Improvisierende?
Thomas: Dass wir gemeinsam in einem gewissen Chaos stehen – und versuchen, daraus gemeinsam etwas Schönes zu machen. Es ist auch sehr intim, die Klänge zu hören, die jemand liebt. Man bekommt Zugang zu einem tiefen Teil der anderen Person.
CLH: Und was trennt sie?
Thomas: Absolutheitsansprüche. Wenn jemand sagt: „Das ist Improvisation“ oder „Das ist keine“, dann entstehen schnell Gräben. Man muss offen bleiben.
CLH: Dein Lieblingsklang?
Thomas: Das Klack-Klack von High Heels auf Marmor. Kraftvoll, statuarisch.
CLH: Eine besondere Note?
Thomas: Keine. Jede Note hat ihren Platz, ihren Wert.
CLH: Ein bevorzugtes Intervall?
Thomas: Oktaven. Ich liebe große Sprünge. Wenn ich komponiere, beginne ich oft mit Oktaven. Damit schaffe ich Raum in der Melodie – da steckt unglaublich viel Möglichkeit drin.
Marilène Provencher-Leduc
CLH: Marilène, welcher Klang ist typisch für die Improvisationen von Bakarlari?
Marilène: In letzter Zeit haben wir viel mit halligen Räumen gearbeitet – zum Beispiel in Kapellen. Etwas Schweres, Weitläufiges, das sich in der Zeit ausdehnt. Und auch ziemlich viel mit Elektronik. Das hängt immer vom jeweiligen Projekt ab.
CLH: Habt ihr eine besondere Herangehensweise an Gruppenimprovisation?
Marilène: Wir arbeiten oft mit Komponist_innen, die Soloparts schreiben, und danach improvisieren wir als Gruppe. Aber das ist für uns noch recht neu. Wir sind mehr an notierte Musik gewöhnt. Improvisation – das lernen wir gerade gemeinsam. Es gibt noch keine feste Richtung. Émilie könnte das besser erklären, sie übernimmt meist die Leitung.
CLH: Gibt es innerhalb der Musik eine Hierarchie?
Marilène: Nein, überhaupt nicht. In der Musik sind wir gleichberechtigt. Es gibt keine Leitungspersonen.
CLH: Gibt es für dich ein typisches Klangbild von Montréal?
Marilène: Der Moment der Stille nach einem Schneesturm. Alles wird geschluckt. Kein Nachhall mehr. In solchen Momenten fühlt man sich wirklich wie eine Québécoise.
CLH: Beeinflusst die Geografie eure Musik?
Marilène: Ja. Die nordische Landschaft, die Dunkelheit, die gedehnte Zeit – das alles prägt unser Hören, unseren Umgang mit Klang, auch miteinander.
CLH: Ist Bakarlari wichtig für Montréal?
Marilène: Ich glaube schon. Montréal ist offen für viele Gruppen, aber ein Solist_innenkollektiv war neu. Das bringt eine andere Perspektive ein.
CLH: Und das Publikum in Montréal?
Marilène: Was ich an der experimentellen Szene liebe, ist, dass sie die französisch- und englischsprachigen Szenen verbindet. Ganz anders als in der klassischen Musik, wo das oft getrennt bleibt. Hier entsteht eine schöne Mischung.
CLH: Was ist die Verbindung zwischen Improvisation und Freiheit?
Marilène: Sie ist grundlegend. In der Improvisation will ich mich frei fühlen, aber gleichzeitig auch mit der Freiheit der anderen in Kontakt treten. Das ist in notierter Musik anders. Diese Beziehung zwischen individuellen Freiheiten ist etwas ganz Eigenes der Impro.
CLH: Wenn du einen Begriff streichen müsstest – Komposition, Konzept oder Improvisation?
Marilène: Ich würde „Konzept“ streichen. Manchmal ist ein Konzept nur eine leere Hülle.
CLH: Was verbindet Improvisierende?
Marilène: Das Zuhören. Der Moment im Hier und Jetzt.
CLH: Und was trennt sie?
Marilène: Das Ego. Der Wunsch, zu glänzen, Technik zu zeigen, ohne auf die anderen zu achten… das isoliert. Aber eigentlich sollte es keine Trennung geben.
CLH: Dein Lieblingsklang?
Marilène: Die Whistletones auf der Flöte. Zarte, unterbrochene, organische Klänge.
CLH: Eine besondere Note für dich?
Marilène: Das mittlere C. Es ist die Grundlage, klingt rund. Sehr befriedigend.
CLH: Ein besonderes Intervall?
Marilène: Vielleicht die Sexte – groß oder klein. Sie verwirrt mich, je nachdem, ob man sie von oben oder unten denkt, in Umkehrungen…